6 Tipps für einen wertschätzenden Recruitingprozess
Der Fachkräftemangel und seine Auswirkungen werden seit Jahren lang und breit diskutiert und es sollte inzwischen in jedem Kopf angekommen sein: Wer Personal sucht befindet sich in einem Wettbewerb mit vielen, vielen anderen Arbeitgebern um qualifizierte Fachkräfte. Daher: Wenn du Personal suchst, solltest du dich als Arbeitgeber abheben, um für deine Kandidatinnen und Kandidaten den Unterschied zu machen und damit zu erreichen, dass sie sich schließlich für dich entscheiden. Ein aus meiner Sicht leider immer noch stiefmütterlich behandeltes, aber mächtiges Werkzeug dabei: Der wertschätzende Recruitingprozess. Mit diesem Blogartikel gebe ich dir ein paar Hinweise und Tipps, wie du diesen ganz einfach umsetzen kannst.
Beginne (immer!) mit einer Anforderungsanalyse
Bei diesem ersten, fundamentalen Tipp, stellst du dir zunächst die Frage: Wen suche ich eigentlich? Diese Frage klingt nun erst einmal recht einfach und du denkst dir vielleicht: Ja, ist doch klar, eine qualifizierte Fachkraft eben! Es steckt jedoch wesentlich mehr dahinter. Bei der Anforderungsanalyse analysierst du - wie der Name schon sagt - die Anforderungen an die zu besetzende Stelle. Damit ist nicht gemeint, dass du dir grob im Kopf überlegst, was dein Wunschkandidat an Qualifikationen mitbringen soll, nein: Du solltest dir strukturiert Gedanken darüber machen, welche ganz konkreten Aufgaben bei dir erfüllt werden sollen. Im nächsten Schritt stellst du dir die Frage, welche Anforderungen dafür benötigt werden. Welche Ausbildung und Fachkenntnisse sollte der zukünftige Stelleninhaber mitbringen? Welche erfolgskritischen Kompetenzen werden benötigt? Das können neben Fachkompetenzen, z.B. auch Soft Skills oder Methodenkenntnisse sein. Welche Sprachkenntnisse sind erforderlich? Wie sieht das Arbeitsumfeld aus und welche Anforderungen kannst du daraus ableiten? All das und noch mehr sind Fragen, die du dir dafür stellen solltest. Es gibt für eine Anforderungsanalyse verschiedene Methoden in der Praxis. Diese aufzuzählen würde für diesen Artikel jedoch zu weit führen. Für ganz besonders Interessierte möchte ich jedoch einen Bonustipp mitgeben: Es lohnt sich ein Blick auf die Methode der erfolgskritischen Ereignisse von Flanagan (1955).
Die Anforderungsanalyse ist die Basis deines Recruitingprozesses, denn daran sollten beispielsweise auch Interviewfragen etc. ausgerichtet werden. Ich muss es leider so deutlich schreiben: Wenn du hier nicht genau hinschaust und deine Hausaufgaben nicht machst, fehlt dir das Fundament für einen erfolgreichen (und wertschätzenden, das versteht sich hoffentlich von selbst 🙂) Recruitingprozess.
2. Formuliere eine Stellenanzeige, die sich vom Wettbewerb abhebt
Wer kennt sie nicht, die Stellenanzeigen, die austauschbar, vage und unkonkret formuliert sind? Oder bei denen Bewerbenden im schlimmsten Fall gar nicht verstehen, welcher Job sich dahinter verbirgt? Sie zeigen dir, wie du es nicht machen solltest. Kurzer Reminder: Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt und Arbeitnehmer befinden sich in den meisten Fällen gar nicht auf Jobsuche. Und wenn doch, können sie sich häufig aussuchen, wo sie arbeiten. Also gilt es, mit deinem Jobinserat Begeisterung zu wecken und dich von anderen Arbeitgebern abzuheben! Das gelingt dir mit konkreten, ehrlichen Anzeigen, die den Job so beschreiben, wie er wirklich ist und darüber hinaus ein realistisches Anforderungsprofil aufzeigen. So klappt es dann auch mit den passenden Kandidatinnen und Kandidaten. Meine Erfahrung: Nur mit einer guten Anforderungsanalyse kann das gelingen, daher solltest du unbedingt zuerst Tipp 1 befolgen.
3. Schaffe eine einfache Bewerbungsmöglichkeit
Nachdem du die Bewerbenden mit deiner Stellenanzeige überzeugt hast, gilt es jetzt, sie zur Bewerbung zu bewegen. Das Schlimmste was an dieser Stelle passieren kann: Du lässt deine Kandidatinnen und Kandidaten ellenlange Bewerbungsformulare ausfüllen oder forderst ein perfektes Motivationsschreiben, lückenlose Arbeitszeugnisse oder heute am besten noch das Abiturzeugnis von 1998 mit an. Jede Hürde, die du hier aufbaust, erhöht die Chance, dass dir die Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerbungsprozess wieder abspringen. Also: Die Möglichkeit zur Bewerbung sollte so geringschwellig wie möglich sein sowie in der Stellenanzeige angegeben sein. Je nachdem, wie du in deinem Unternehmen ausgestattet bist, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Du bist ein kleiner Betrieb und hast kein Bewerbermangementsystem? Kein Problem! Schreib in dein Stelleninserat rein, dass die Interessentinnen und Interessenten eine kurze Nachricht (z.B. per Mail oder via Social Media, falls du hier bereits Kanäle bespielst) hinterlassen sollen, und du sie für einen Termin zum Vorstellungsgespräch zurückrufst.
Du besitzt eine Bewerbermanagementsoftware? Hier kommt es auf das System an, aber es gibt z.B. Software, die es erlaubt sich ganz leicht mit dem LinkedIn Profil zu bewerben oder den Lebenslauf automatisch einliest. Im Grundsatz gilt: Je einfacher sich die Kandidatinnen und Kandidaten bei dir bewerben können, umso besser!
4. Reagiere schnell auf Bewerbungen
Trudeln die Bewerbungen einmal ein, solltest du sie wie einen Schatz behandeln. Heißt: Bitte lasse hier nicht viel Zeit verstreichen und reagiere so schnell wie möglich mit einer Antwort. Bonustipp: Blocke dir hier am Besten vorab schon Zeit, wenn du eine Stelle zu besetzen hast. Wenn du hier zu lange wartest, hast du dir im schlimmsten Fall die Mühe für alles, was du vorher getan hast, umsonst gemacht. Und glaube mir, du kannst dich auch hier super vom Wettbewerb abheben, wenn du schnell bist mit deinen Rückmeldezeiten. Und auch beim Thema Terminfindung für das Vorstellungsgespräch kannst du dich wertschätzend zeigen: Finde in jedem Fall einen Termin, der deinen Bewerberinnen und Bewerbern auch gut passt und richte dich nicht nur nach deinem Terminkalender. Für Bewerberinnen und Bewerber die etwas weiter entfernt wohnen und das für deine Stelle möglich ist, würde ich dir auf jeden Fall zu einem Online Bewerbungsgespräch raten. Deine Kandidatinnen und Kandidaten werden es dir danken, denn es spart ihnen (und dir) Zeit und Kosten.
5. Führe ein Bewerbungsgespräch auf Augenhöhe
Du hast bereits Termine zum Vorstellungsgespräch vereinbart - super! Je näher der erste Termin rückt, fragst du dich vielleicht, wie du dich am besten darauf vorbereitest. Nun, wenn du Tipp 1 dieses Artikels befolgt hast und eine gute Anforderungsanalyse gemacht hast, hast du eigentlich schon fast alles, was du brauchst. Darauf kommen wir gleich zurück, aber schauen wir uns zunächst an was für für ein wertschätzendes Bewerbungsgespräch auf Augenhöhe benötigen: eine gute Vorbereitung ist selbstverständlich, darüber hinaus solltest du versuchen, eine angenehme Gesprächsatmosphäre aufzubauen und genug Zeit einzuplanen, um später nicht in Hektik zu verfallen. Wenn dir klar ist, auf welche Kompetenzen es bei dir ankommt und welche Fachkenntnisse zwingend erforderlich sind, solltest du dir überlegen, wie du nun in einem Interview herausfinden kannst, ob die Bewerberinnen und Bewerber die Anforderungen erfüllen. In der Regel führen Fragen mit Anforderungsbezug zum Erfolg.
Lass uns mal ein kleines Beispiel machen:
Du weißt, dass es bei dir häufig stressig zugeht, also suchst du jemanden, der gut mit Stress umgehen kann. Dann könntest du im Bewerbungsgespräch fragen, ob dir die Bewerberinnen und Bewerber eine Situation aus ihrem bisherigen Berufsleben nennen können, in der sie gut mit Stress umgegangen sind. Und am besten fragst du dann noch nach zwei weiteren Situationen. Und das machst du dann für jede Anforderung, die bei dir wichtig ist. Und überlegst dir vorher schon (ja, das gehört zur Vorbereitung dazu), was eine gute Antwort auf deine Fragen ist. Das solltest du unbedingt alles in einem Interviewleitfaden dokumentieren, um die Antworten gut auswerten zu können. Damit das Gespräch zeitlich nicht ausartet, solltest du dich bei der Anforderungsanalyse auch auf die wichtigsten Kompetenzen fokussieren. Und ebenfalls ganz wichtig: Du solltest jedem Bewerber die gleichen Fragen stellen, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Bewerbenden herzustellen.
Der Vorteil an anforderungsbezogenen Fragen ist nicht nur, dass sie in Sachen Vorhersage von Berufserfolg am besten abschneiden, sondern auch, dass Bewerberinnen und Bewerber sich wertgeschätzt fühlen und die Fragen ihnen sinnvoll erscheinen (um diesen Effekt noch zu verstärken, erklärst du am besten immer noch dazu, warum du diese Fragen stellst), sich die Stelle auch besser vorstellen können und eine Vorahnung bekommen, von dem was sie erwartet. Apropos: Plane genug Zeit dafür ein, den Bewerbenden die Aufgabe und den Arbeitsplatz gut vorstellen zu können. Und darüber hinaus solltest du auch immer genug Zeit für Fragen einplanen. Was du in jedem Fall vermeiden solltest sind Fragen á la “Stärken und Schwächen”, die in jedem Bewerbungsratgeber stehen und die in Sachen Vorhersage von Berufserfolg schlecht abschneiden.
6. Gib Feedback
In der Regel suchst du eine Person pro Position, führst aber (wenn du Glück hast 🙂) mehr Bewerbungsgespräche. Somit liegt auf der Hand, dass du auch Bewerbende ablehnen musst. Das gehört zum Recruiting ebenfalls dazu. Und gerade hier kannst du in Sachen Wertschätzung nochmal eine Schippe drauflegen: Wenn es dir gelingt, deine Gespräche gut zu dokumentieren und anforderungsbezogen auszuwerten, dann musst du vor Absagen gar keine Scheu mehr haben. Denn dann kannst du den Kandidatinnen und Kandidaten ganz transparent sagen, warum es diesmal nicht geklappt hat und ein wertschätzendes Feedback geben. Ganz wichtig: Dein Feedback sollte sich immer auf die Anforderungen der Stelle beziehen, dann bist du auch rechtssicher unterwegs und musst keine Angst vor Klagen haben. Tipp: Frage die Bewerbenden zunächst, ob sie ein Feedback zum Gespräch haben möchten oder biete bei Bedarf auch ein Feedback im Nachgang an. Nicht jeder möchte direkt ein Feedback in Verbindung mit einer Absage haben. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kandidaten sich sehr über ein ehrliches Feedback freuen. Und ich verspreche dir: Auch hier hebst du dich vom Wettbewerb ab und du wirst definitiv als guter Arbeitgeber in Erinnerung bleiben, ggf. erzählen die Bewerberinnen und Bewerber sogar noch ihren Freunden oder der Famile davon, wie toll der Bewerbungsprozess bei dir abgelaufen ist. Das zahlt sehr positiv auf dein Employer Branding ein!
Der Prozess ist hier selbstverständlich noch nicht zu Ende, denn wenn du deinem Wunschkandidaten zugesagt hast und er die Zusage annimmt, solltest du natürlich auch für ein reibungsloses und gutes Onboarding sorgen. Aber ich glaube, das schauen wir uns mal in einem separaten Blogartikel an.
Bis dahin: Ich hoffe die Tipps konnten dir weiterhelfen und ich wünsche dir viel Spaß bei Ausprobieren.
Happy Recruiting!